Mehr als 25 Jahre Anni Gruber Stiftung waren Anlass für die Süddeutsche Zeitung am 25. August 2020 die Arbeit der Stiftung in einem Artikel im Münchner Teil zu würdigen. Redakteurin Sabine Buchwald befragte hierfür Stiftungsratsmitglied Dr. med.Albrecht Egetmeyer, der Vorgeschichte und Anfänge der Stiftung von Anni Gruber zusammen Prof.Dr. Rolf Kyrein miterlebt hat
Die Anni-Gruber-Stiftung kümmert sich seit mehr als 25 Jahren um psychisch Kranke und deren Angehörige
Der Suizid eines Angehörigen erschüttert eine Familie wie ein Erdbeben. Die Folgen ziehen sich oft wie Risse durch ein beschädigtes Haus und sind über Generationen nicht zu kitten. Psychologisch geschulte Ärzte wie Albrecht Egetmeyer wissen das. Er selbst hat sich jahrelang mit der Not der Hinterbliebenen auseinandergesetzt. Die Suche nach der Schuld sei ein immerwährendes Thema, sagt er.
Das war es wohl auch für das Ehepaar Gruber, nachdem sich ihr einziger Sohn im Vorgarten ihres Hauses selbst getötet hat- te. Der Junge war schon länger psychisch krank gewesen, die Mutter hatte Unterstützung in der Universitätsklinik für Psychiatrie an der Nussbaumstraße gesucht. Doch schon kurz danach beendete ihr Sohn sein junges Leben. Das war Ende der Siebzigerjahre. Albrecht Egetmeyer war damals Assistenzarzt in der Klinik. So sind Anni Gruber und er in Verbindung gekommen, sie sind es noch heute. Egetmeyer ist einer der Vorstände der Anni-Gruber-Stiftung.
Anni Gruber ist inzwischen 94 Jahre alt und lebt in einem Münchner Senioren- heim. Sie kann und möchte nicht mehr öffentlich über das Schicksal ihrer Familie und die Arbeit der Stiftung sprechen. Sie überlässt das nun anderen. Egetmeyer zum Beispiel. „Die emotionale Aufarbeitung der Erkrankung und des Todes des Sohnes lag bei Frau Gruber“, erzählt er. Und dass sie den schweren Verlust zu ihrem Lebensthema machte. Statt ihn zu tabuisieren, tauschte sie sich mit anderen Betroffenen aus. In der Universitätsklinik gab es damals eine erste Gruppe für Ange- hörige. Nach deren Vorbild gründete sie ei- ne eigene, die Gruppe „Josephsburg“.
„Die Profis hatten lange kein Ohr und kein Auge für die Not der Familie“, sagt Albrecht Egetmeyer. Die Familienmitglieder, die fassungslos zurückblieben, konnten sich gegenseitig oft besser helfen. Er selbst war nach seiner Zeit in München bis zur Pensionierung viele Jahre Ärztlicher Direktor im Bezirkskrankenhaus Kempten. Auch ihm wurde das Thema immer wichtiger.
Egetmeyer veröffentlichte zusammen mit dem Hamburger Psychiater und Psychiatriehistoriker Klaus Dörner sowie Kon- stanze Koenning das Buch „Freispruch der Familie – wie Angehörige psychiatrischer Patienten sich in Gruppen von Not und Einsamkeit, von Schuld und Last freisprechen“.
1994 gründete Anni Gruber ihre Stiftung mit dem Zweck, psychisch kranken Menschen und deren unmittelbar betroffenen Angehörigen zu helfen. Stiftungsgrundstock ist ein Großteil ihres Vermögens, unter anderem Immobilien in Berg am Laim. Dort in der Else-Rosenfeld-Straße hat die Stiftung Wohnungen, die zu einem Großteil an psychisch kranke Menschen vermietet sind. Seit vielen Jahren organisiert die Stiftung Erholungsurlaube für erholungsbedürftige Angehörige in Bad Griesbach. „Eine Herzensangelegenheit von Anni Gruber“, sagt Egetmeyer. Außerdem unterstützt die Stiftung betreutes Wohnen und Arbeitsbeschaffungsmaß- nahmen.
Vergangenes Jahr feierte die Stiftung ihr 25-jähriges Bestehen. Anlass, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. „Zu tun gibt es viel“, sagt Egetmeyer. Jeder Dritte habe in seinem Umfeld etwas mit psychischer Krankheit zu tun. Eine erste Maßnahme war im Januar die Überarbeitung der Stiftungssatzung und eine Webseite aufzubauen. „Wir wollen noch mehr Menschen erreichen“, sagt Egetmeyer, „und sind offen für seriöse, unterstützungswürdige Anträge.“
Von Sabine Buchwald